Ösophagusatresie
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Die Ösophagusatresie (ÖA) ist eine angeborene Unterbrechung der Speiseröhre mit oder ohne Verbindung zur Luftröhre (tracheoösophageale Fistel, TÖF). In Deutschland werden pro Jahr weniger als 200 Kinder mit Ösophagusatresie korrigiert. Die Ursache der Erkrankung ist unklar. Je nach Abstand zwischen den beiden Ösophagusenden unterscheidet man eine „kurzstreckige“ von einer „langstreckigen“ (sogenannter long-gap) Form. Von einer langstreckigen Form der Ösophagusatresie wird gesprochen, wenn die Lücke mehr als drei Wirbelkörper beträgt.
Diagnostik
Die Diagnose wird gelegentlich bereits pränatal im Ultraschall gestellt. Bei etwa 30-50% der Feten mit einer Ösophagusatresie und Fistel (TÖF) fällt im Pränatalschall ein Polyhydramnion bzw. eine kleine oder fehlende Magenblase auf. Unmittelbar nach der Geburt kann es zur Atemnot oder schaumigem Speichel kommen. Bei Verdacht auf eine Ösophagusatresie wird dann versucht eine Magensonde zu legen. Diese kann bei einer Ösophagusatresie jedoch nicht in den Magen vorgeschoben werden. Zur Bestätigung erfolgt anschließend eine Röntgenaufnahme des Thoraxes mit liegender Ösophagussonde im oberen Blindsack. So kann u.a. der Abstand zwischen den beiden Ösophagusenden abgeschätzt werden. Die Distanz ergibt sich bei der häufigsten Form (sogenannte Typ IIIb nach Vogt) im Röntgenbild aus der Strecke zwischen dem tiefsten Punkt des oberen Blindsackes und der Bifurkation der Trachea.
In vielen Fällen ist eine Ösophagusatresie mit einem Herzfehler kombiniert. Daher wird vor einer Operation immer ein Herzecho (Ultraschall des Herzens) durchgeführt. Weitere typische Fehlbildungen betreffen oft Armen und Beinen, Wirbelkörper, Nieren oder andere Darmanteile. Dies wird mit einer Ultraschalluntersuchung (Sonografie) des Bauches und der Nieren untersucht.
Unser Behandlungskonzept
Anhand des Abstands und der Form der Atresie wird die Behandlungsstrategie festgelegt. Das primäre Ziel der chirurgischen Behandlung ist der Verschluss der tracheoösophagealen Fistel (TÖF) und die Herstellung der Speiseröhrenkontinuität unter Erhalt des Ösophagus. Meistens führen wir den Eingriff in minimalinvasiver Technik (3mm Thorakoskopie) durch. Bei instabilen Neugeborenen ist es gelegentlich notwendig, die Erstoperation auf den Fistelverschluss und die Anlage einer Gastrostomie (Katheter wird durch die Haut in den Magen gelegt) zu beschränken. Die Rekonstruktion der Speiseröhre erfolgt dann sekundär nach Stabilisierung des Kindes. Bei großen Abständen bringen wir die Speiseröhrenenden mit Fäden auf Zug (sogenannter innerer Foker) und stellen in die Kontinuität in einer späteren Operation her. Bei sehr großen Abständen führen wir in unserer Klinik meistens einen Magenhochzug durch. Dabei wird der Magen in den Brustkorb mobilisiert und damit die Lücke zwischen den Ösophagusenden überwunden.
Ein Sonderfall sind die Formen mit einer langstreckigen Atresie ohne Fistel (Vogt Typ 2). Sie treten bei 10% der Kinder mit einer Ösophagusatresie auf. Bei diesen Kindern legen wir in den ersten Lebenstagen eine Gastrostomie an und führen die Anastomose mit einem Gewicht von 2000 Gramm durch. In unserer Klinik hat sich das minimal-invasive Verfahren (Thorakoskopie) sehr gut bewährt und wird daher bevorzugt durchgeführt.
Weiterhin führen wir bei starker Tracheomalazie (weiche Luftröhre) eine sogenannte dorsale Tracheopexie durch. Bei der Tracheomalazie ist der Knorpel der Luftröhre so weich, dass sie bei starker Einatmung zusammenfällt und die Kinder starke Luftnot bekommen. In unserem Zentrum wird bei Kindern mit Tracheomalazie ggf. auch schon während der ersten Operation, eine dorsale Tracheopexie durchgeführt. Dabei wird die Luftröhre stabilisiert und die Kinder können anschließend auch in Stressphasen besser Luft bekommen.
Neugeborene mit einer Ösophagusatresie, bei denen eine primäre Anastomose (Speiseröhrennaht) durchgeführt wurde, bleiben in unserem Zentrum durchschnittlich 2 Wochen nach der Operation im Krankenhaus. Während dieser Zeit kann ein Elternteil auf unseren kinderchirurgischen Stationen 30-2, 31-2, IMC bleiben oder beide Elternteile im Elternhaus. Die Kinder können unmittelbar postoperativ über eine Magensonde ernährt werden. Nach 5-7 Tagen wird zur Kontrolle der Anastomose (Speiseröhrennaht) eine Kontrastmitteluntersuchung durchgeführt. Anschließend werden die Kinder oral ernährt und bei guter Gewichtsentwicklung rasch nach Hause entlassen.
Nachsorge
Typische Probleme im Langzeitverlauf sind eine Tracheomalazie (weiche Luftröhre, siehe oben), eine Gastroösophageale Refluxkrankheit oder die Verengung (Stenose) an der Speiseröhrennaht. Viele Kinder, die mit einer Ösophagusatresie geboren wurden, leiden an einer Refluxösophagitis. Langfristig begünstigt dies eine Umwandlung der Speiseröhrenschleimhaut (sogenannten Barett-Ösophagus) und kann in einigen Fällen zu einer Ausbildung eines Adenokarzinoms im Erwachsenenalter führen. Ein Teil der Kinder entwickelt nach der Korrektur eine Enge im Bereich der Anastomose. Bei Ösophagusstenosen führen wir endoskopische Ballondilatationen durch.
Alle Patienten mit Ösophagusatresie werden in unser strukturiertes Nachsorge-Programm aufgenommen. Sie werden dabei multimodal bis zum Erwachsenenalter durch ein Team aus Kinderchirurgen (Kompetenzbereich Ösophagus), Kinderärzten (Pulmonologie und Gastroenterologie), Kinderpsychologen, -Physio- und -Ergotherapeuten und -Ernährungsberatern begleitet. Auch die Transition ins Erwachsenenalter ist bei uns etabliert. Die Nachsorge wird auch im Erwachsenenalter fortgesetzt.
Unsere Klinik arbeitet dabei auch eng mit der Patienten- und Selbsthilfeorganisation KEKS e.V. zusammen. Jeder Patient erhält zur standardisierten Nachsorge ein speziell hierfür entwickeltes Nachsorgebuch (vergleichbar mit dem Vorsorgeheft), in dem alle Kontrolluntersuchungen gesammelt und geplant werden.